VoIP: Planung und Fallstricke

Im letzten Beitrag zum Thema VoIP ging es hauptsächlich um die Grundlagen des Telefonierens über eine bestehende Internetverbindung. Heute wollen wir uns die Anforderungen und mögliche Probleme etwas näher ansehen, die es vorab zu bedenken gilt.

Planung ist angesagt

Die notwendigen Vorbereitungsarbeiten bei der Einführung oder Migration auf eine IP-basierende TK-Lösung sind um einiges komplexer als bei herkömmlichen ISDN-Anlagen. Nach der Entscheidung, ob eine Anlage im Haus oder virtuell in der Cloud benötigt wird, ist es vor allem die Wahl des richtigen VoIP-Providers, der größtmögliches Augenmerk zu widmen ist.

Der „richtige“ Provider

Wie bei jedem SaaS-Provider gilt eine Entscheidung mit Vertragsunterzeichnung meist mehrere Jahre, was nicht nur durch die zu wählende Hardware gegeben ist. Ein Wechsel ist auch technisch nicht ohne weiteres möglich. VoIP ist weit von einem Standard entfernt. Es gibt einige Standards.

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Das Hauptproblem bei der Wahl des passenden Providers ist das Fehlen einer einfachen Vergleichsmöglichkeit. Jeder Anbieter stellt diverse Features bei seinem „Top-Angebot“ in den Vordergrund. Jeder verschweigt naturgemäß seine Lücken einer optimalen Anwendung. Vom großen Konzern bis zur technisch-fortschrittlichen Cloud-Company unbekannten Namens ist alles am Start.

Die Checkliste

Hier hilft nur die analytische Vorbereitung. Eine individuelle Checkliste muss erstellt werden. Zum ersten gilt es, die bereits benutzten (nicht vorhandenen) Funktionen der im Einsatz befindlichen Anlage zu notieren. Diese sollte durch eine Umfrage bei den Mitarbeitern nach fehlenden Möglichkeiten ergänzt werden.

In einem zweiten Schritt werden eine Reihe an Anbietern auf deren VoIP-Optionen geprüft und sinnvolle in die Liste mitaufgenommen. Besuche von Verkäufern sind in diesem Stadium wenig sinnvoll. Erst sind Hausaufgaben angesagt. Auch der Erfahrungsaustausch mit anderen Unternehmen kann zu diesem Zeitpunkt wertvolle Ideen bringen.

Über den Tellerrand

Keine zwei Unternehmen haben dieselben Anforderungen an eine technisch innovative TK-Lösung. Und eine Neuanschaffung sollte ja genau Ihre Bedürfnisse optimal ermöglichen – auch zukünftig.

Der Umstieg auf VoIP ist mehr als eine andere Telefonanlage. Es geht um den zukünftigen Einsatz einer neuen Kommunikationsform. Das Telefon ist ab diesem Zeitpunkt ein weiteres Mitglied in der vielfältigen Reihe aller Geräte zur Interaktion. Telefax, E-Mail, die Anbindung an das eigene CRM-System – in diese vorhandenen Technologien muss sich das neue System nahtlos einreihen.

Mobilität und Flexibilität

Ein unschätzbarer Vorteil der IP-Telefonie ist die Flexibilität der Anbindung. Theoretisch ist nach der Umstellung jeder PC und jedes Notebook ein Telefon. Wenn der gewählte Provider es unterstützt, kann sogar jedes Smartphone oder Tablet mithilfe einer App zur Nebenstelle werden. Auch dieser Aspekt könnte ein weiterer Punkt auf der Checkliste sein.

Mitarbeiter und Zweigstellen

Die Anzahl einzubindender Endgeräte (egal ob VoIP-Telefone oder Softphones) ist im Rahmen der Netzwerkplanung – ja, VoIP-Planung ist Netzwerkplanung! – entscheidend. Der große Vorteil gegenüber einer herkömmlichen ISDN-Verkabelung mit Anlagenanschluss zeigt sich hier schnell. Ein Stück Software auf dem PC und ein Headset: der zusätzliche Telefonplatz ist betriebsbereit. Auf dieselbe schnelle Weise kann dies jederzeit geändert werden. Damit sind fünf zusätzliche Arbeitsplätze für wenige Wochen kein Problem – so der gewählte Providervertrag dieselbe Flexibilität bietet. Checkliste!

Technisch ähnlich verhält sich die Anbindung von anderen Standorten. Durch die (eventuell bereits vorhandene) IP-Anbindung zusätzlicher Zweigstellen sollte auch die gemeinsame Telefonanlage kein Problem sein. Ein effizientes Netzwerk mit Site-to-Site-Firewalls ist hier bereits die halbe Miete. Checkliste!

Teleworker und Heimarbeit

Auch für die zunehmend eingesetzten Remote-Arbeitsplätze ist die VoIP-Technologie ideal. Lässt die gewählte VoIP-Lösung dies zu, kann jeder Internetplatz der Welt eine Nebenstelle abbilden. Der Anrufende sieht keinen Unterschied, ob sein Anruf im Büro des Marketingleiters landet oder seinem Home-Office-Arbeitsplatz. Zwei Anrufe unter derselben Rufnummer landen an einem Tag im Büro, am darauffolgenden auf dem Notebook im privaten Wohnzimmer des Managers. Gleiches gilt für abgehende Telefonate. Wer dafür Bedarf hat, sollte auf seiner Checkliste ein großes Kreuz bei VPN und Verschlüsselung machen.

Das interne LAN wird noch wichtiger

Sie sind gewohnt, dass Ihr Firmentelefon funktioniert, sobald Sie den Hörer abnehmen? Dann sollten Sie beim Start Ihres VoIP-Projekts erst mal Abstriche machen. Das Problem: VoIP verzeiht keine Fehler im Netzwerk! Datenverbindungen sind da flexibler. Meldet der Server fehlerhafte Pakete an den Client zurück, so werden diese einfach nochmals gesendet. Und der Anwender merkt meist nichts davon.

Die Übertragung von Sprache verhält sich hier naturgemäß anders. Fehlende oder fehlerhafte Pakete nimmt der User als Aussetzer oder eine verzerrende Sprache wahr. Die Toleranz durch Technik ist minimal. Hier ist Netzwerk-Knowhow gefragt. Und der Provider (und dessen Technik) müssen dabei mitspielen.

Ausfall?

Im Rahmen einer VoIP-Migration ist eine Gesamtprüfung der unternehmensinternen Netzwerktopologie Pflicht. Alle vorhandenen Switches müssen den angeschlossenen TK-Endgeräten gerecht werden. Neben der Stromversorgung (Power over Ethernet – PoE) ist sofort ein Thema.

Aber auch der berüchtigte „Single-Point-of-Failure“ bekommt damit mehr Gewicht. Fällt der neu angeschaffte PoE-Switch für die VoIP-Telefone aus, kann nicht einfach am Patchpanel umgesteckt werden. Die IT-Planung (Sofort-Austausch) weitet sich damit aus. Die eigene TK-Anlage wird damit ebenso wichtig wie der Mailserver. 24×7-Verfügbarkeit aller Netzwerkkomponenten steht mit einem Schlag auf der Prioritätenliste.

Händler, Verkäufer und Support

Ihr Telefon funktioniert nicht mehr? Im ISDN-Umfeld ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass das Endgerät einfach defekt ist. Einige Euros in die Hand nehmen, das neue Telefon anstecken und das Problem ist meist behoben. Nicht so im VoIP-Umfeld! Die neue Art von TK-Mini-Computer verfügt über eine ganze Bandbreite an möglichen Fehlfunktionen. Ebenso schwierig kann die Fehlersuche sein.

Hier kommt ein entscheidender Punkt ins Spiel: der Anbieter. Sie haben Ihre neue VoIP-Anlage vom Hersteller XY und einen VoIP-Vertrag mit Provider Z. Sollte ein Fehler auftreten, so haben Sie damit zwei externe Ansprechpartner im Boot – und die interne IT. Jetzt wird jedes „Ticket“ zum Support-Fall mit mehreren Ansprechpartnern.

Darüber hinaus liefern viele Hersteller von TK-Anlagen ihren Support nur noch über deren Partner. Ein verständliches Konzept. Bleibt für die Checkliste: Achten Sie auf diesen Partner (nicht nur auf den Hersteller)! Er wird Sie glücklich machen oder in die Verzweiflung treiben.

Kostenplanung

Was an diesem Punkt klar sein sollte: Es gilt viele Hausaufgaben zu machen. Vom Vergleich der Grundgebühren eines VoIP-Vertrags über die Aufstellung des eigenen Gesprächsvolumens (wie viele Verbindungen in welche Netze)und deren zukünftigen Kosten bis hin zu individuell gewünschten Funktionen (schon an den Türöffner gedacht?). Eine überhastete Entscheidung rächt sich später fürchterlich. Das Telefon wird zum Netzwerk-Device. Und genau so sollten Sie es planen.


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Eine Antwort

  1. 7. Juni 2014

    […] TK-Anlage in die Cloud einen Vorteil bringen. Dieser bleibt aber nur dann bestehen, wenn auch die Randbedingungen mitbedacht wurden. Und hier ist generell die Netzwerktechnik gefordert. Zum Unterschied von klassischen […]

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