Die Kunst des zeitversetzten Lesens

Mit den neuen Medien und den Social Networks nimmt die Menge an verbreiteten Daten immens zu. Obwohl es sich dabei größtenteils um Müll handelt, ist dennoch die eine oder andere Nachricht zu lesen, die die Bezeichnung Information verdient. Es kommt dabei wohl auf die Auswahl der Quellen an. Aber selbst ein wohlsortierter Filter bringt den Tag mit seinen 24 Stunden an die Grenze.
Einen super interessanten Artikel gefunden oder empfohlen bekommen, aber jetzt keine Zeit (oder Ruhe) zum Lesen. Auf Twitter oder RSS einen möglicherweise lesenswerten Link erhalten? Einfach mal auf die virtuelle Pinwand. Dies bietet ein Tool mit dem sprechenden Namen „Read it later“. Ein genauerer Blick ist angebracht.

Mehr als Bookmarks

Seiten im Internet, die einen erneuten Besuch verdienen, werden von uns im Browser als Lesezeichen abgelegt. Zu einem späteren Zeitpunkt reicht ein Klick, und der Inhalt erscheint wie zuvor am Bildschirm – eine Verfügbarkeit der Seite vorausgesetzt. Darüber hinaus gibt es auch bereits Synchronisierungsdienste für die gespeicherten Lesezeichen, sodass diese auch (aktuell) auf einem anderen Gerät zur Verfügung stehen. Was ist dann daran neu?

Anders als Bookmarks

Die gewohnten Lesezeichen verwendet man zumeist für ein längerfristiges Ablegen von Links. Hier sprechen wir aber von einem Inhalt, der zwar wichtig und interessant, nach dem Lesen aber (meist) „verbraucht“ ist. Und sollte er ein längerfristiges Dasein verdienen, so ist dann immer noch Zeit und Möglichkeit für eine passendere Ablage. Einen Vorteil hat die „Read it later“-Ablage in diesem Punkt noch: die Ablage ist offline lesbar und eignet sich also auch für die Reise im Zug oder im Flugzeug.

Apps und Extensions

Das kleine Tool gibt es fast für alle Plattformen. Für iOS und Android stehen im jeweiligen Store native Applikationen zum Download bereit. Für den Betrieb im Browser gibt es Extensions (Firefox, IE, Chrome) und für andere Smartphone-Betriebssysteme anwendererstellte Apps (Windows Phone, Symbian, Blackberry, etc.). Und zu guter Letzt ermöglicht noch die traditionelle Browsereinwahl die Abfrage der gespeicherten Seiten (z.B. auf Fremdrechnern). Schön an dem Konzept: es gibt eine API, die es Programmierern ermöglicht die RiL-Funktionalität in eigene Anwendungen einzubauen. Bis dato gibt es 300 Applikationen, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machten.

Anytime, Anywhere

Den entscheidenden Vorteil spielt der Anwender aber erst aus, wenn mehrere Geräte zum Einsatz kommen. Variante 1: In der Arbeit durch Zufall auf einen interessanten Artikel gestoßen (worden) und keine Zeit zu lesen. Zuhause oder am Wochenende kann dieser in Ruhe studiert werden. Ansonsten wäre diese Information wahrscheinlich dem Vergessen zum Opfer gefallen.

Variante 2: Auf dem Smartphone einen interessanten Link erhalten (Twitter, Facebook, mobile Website) und zu umständlich für ein Lesevergnügen auf dem kleinen Display. Ein Klick und der Artikel kann auf dem Tablet in voller Größe begutachtet werden. Hat der gespeicherte Beitrag die Erwartung nicht erfüllt? Ein Klick und er ist aus der Reader-Liste entfernt. Schnell, einfach, unkompliziert.

Vom One-Man-Startup zur Millionen-App

Nate Weiner gründete den Ein-Mann-Betrieb im Jahr 2007. Nach einer Risikobeteiligung von einigen Geldgebern (u.a. Google Foundation) in Höhe von 2,5 Millionen Dollar scheint der mittlerweile auf einige Mitarbeiter angewachsenen Firma nichts mehr im Wege zu stehen. Aktuell verzeichnet Read it later vier Millionen Anwender und 50 Millionen gespeicherte Seiten (in den letzten 6 Monaten). Ein jüngst in der New York Times veröffentlichter Artikel dürfte das Übrige zum Höhenflug beitragen.

Kostenlos oder Pro

In Sachen Kosten hält sich das Progrämmchen wohltuend zurück. Die Browser-Erweiterungen sind frei herunterladbar. Die Apps gibt es in einer kostenlosen und einer kostenpflichtigen Pro-Variante. Der Hauptunterschied besteht in der Anzahl der maximal speicherbaren Seiten. Hier muss jeder selbst entscheiden. Da aber selbst Read it later Pro für wenige Bucks zu haben, ist auch der Kauf keine Abschreckung beim Einsatz der Software. Ein sehr gutes Feature in beiden Varianten: die Speicherung der Seiteninhalte im „normalen“ Format und als reine Textvariante – ohne Werbung und riesige Grafiken. Inklusive einfache „Umschaltfunktion“. Heutzutage schon richtig ungewohnt, „nur mehr“ den Inhalt zu sehen. Toll.

Ein Klick. Soviel Zeit muss sein

Wie die Installation, so einfach ist auch die Handhabung: von Null auf Hundert in zwei Minuten. App downloaden und/oder Browser-Erweiterung installieren, Konto anmelden (Username und Kennwort) und los gehts. Interessante Seiten? Ein Klick. Zuhause ein Klick und „richtig“ lesen (Tee, Couch und Tablet – eventuell noch ein Notizblock). Und vielleicht bringt ja der Aufruf der gespeicherten Seite den Hinweis auf die nächste. Dann gehts einfach im Browser weiter. Und dann vielleicht wieder im Read it later.

Organisation, da hilft keine App

Read it later ist ein tolles Tool. Eines kann aber auch dieses – wie jede Applikation – nicht verhindern: dass nur Informationen gesammelt, aber nie abgearbeitet werden. Hier ist die Selbstorganisation gefragt. Ansonsten bildet auch das Seitenarchiv nur eine Anhäufung von offenen Aufgaben. Und dieses wird – ähnlich einer ToDo-Liste mit „Priorität-C“-Aufgaben nie erledigt. Ganz im Gegenteil, die Reihe des schlechten Gewissens hat damit einen Beiträger mehr. Sie kennen die Redewendung von aufgeschoben und aufgehoben.


Zwar hilft die Ril-Kategorisierung durch den möglichen Einsatz von Tags, die Orientierung bei größeren Sammlungen etwas aufrechtzuerhalten. Letztlich kann aber eine Beschlagwortung aber auch nur dann hilfreich sein, wenn diese strukturiert erfolgt und ebenso bearbeitet wird.
Durch die zunehmende Verbreitung des Tablet-Computers gewinnt eine Applikation wie diese (andere wie Instapaper oder Evernote schlagen in dieselbe Kerbe – dazu mehr in einem folgendem Blogeintrag) aber enorm an Möglichkeiten. Der Einsatz ist ideal für eine Stoffsammlung zu spezifischen Themen, an denen gerade gearbeitet wird. Time-shifted Content bringt viele Möglichkeiten. Denn schließlich sollte ja die Information aus jener Masse an Daten, die täglich gewollt und ungewollt auf uns einprasseln, mit möglichst wenig Aufwand gefiltert werden.


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5 Antworten

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