RIM – Sag zum Abschied leise…

Blackberry – was war das einst (im Computerzeitalter heißt das vor einigen Jahren) noch für ein Begriff. Ein Statussymbol in der langen Reihe von Autos, Schmuck und anderen Dingen, zu denen ein Normalsterblicher sein Leben lang aufsieht. Research in Motion, der kanadische Hersteller der ehemaligen Kultgeräte, hat es geschafft, diesen Lebenszyklus auf einige Monate zu reduzieren.

Vom Statussymbol zum Outlaw

Das neue Bold

Erinnern Sie sich noch: Obama, Mister Yes we can, bedauerte höchstoffiziell bei seiner Amtsübernahme, dass er seinen heißgeliebten Blackberry abgeben musste. Die gesamte Geschäftswelt fühlte mit ihm. Sie erinnern sich – das waren die Zeiten, als „Always On“ noch hieß, jederzeit Emails lesen und versenden zu können. Und das konnte das meist klobige Teil aus kanadischer Produktion. Besser und schneller als alle anderen. Nachrichten trudelten mit minimalster Verzögerung wie von Zauberhand ein und konnten fast ebenso schnell – dank einer klitzekleinen und doch handhabbaren Tastatur – beantwortet werden. Sogar PDFs und Office-Dateien konnte der obere und mittlere Manager betrachten.

Als Apps noch Anwendungen waren

Damals wussten noch nicht mal die Early Adopters was eine „Epp“ ist. Schließlich ging es um Arbeit oder was manche Aufsteiger dafür hielten. Damals war es cool im Meeting die aktuellsten Zahlen, frisch vom Mini-Display „meines“ Blackberry verkünden zu dürfen. Vorbei und forget it. RIM hat zu sehr auf den finanziell-potenten Business-Markt und den Workaholic gesetzt. Finanziell immer noch oben auf, ist der Arbeitssüchtige von der Bildfläche verschwunden. Die Revolution auf dem Smartphone-Markt (im Business-Umfeld) kam von oben! Es waren die Herren Geschäftsführer und Co., die die Seiten wechselten. Jene andere Seite, die RIM stets für einen Kiddy-Sektor hielt.

Vom PDA zum App-Spieler

Research in Motion, ausgerechnet in Waterloo beheimatet, hatte damals eine ausgezeichnete mobile Infrastruktur den Anwendern zur Verfügung gestellt. Anfangs ausschließlich serverbasiert (der Blackberry Enterprise-Server sucht heute noch seinesgleichen), in Kombination mit einem Domino-Server von IBM oder dem verbreiteten Exchange Server von Microsoft, war die Integration von Business-Smartphones in die Unternehmensumgebung zwar nicht immer einfach. Aber wenn diese technisch umgesetzt war, konnte man nur mehr von einer Win-Win-Situation sprechen. Anwender freuten sich über ihre Realtime-Verbindung und die Unternehmens-IT hatte die vollständige (Kosten-)kontrolle und vielfältige Steuerungsmöglichkeiten.

Der PDA (für jüngere Leser: der persönliche, digitale Assistent) war eines Tages nicht mehr gefragt. Email-Synchronisation und Kalender-Replikation stehen heute nicht mehr im Mittelpunkt. Sie sind – wie das Telefonieren – eine Selbstverständlichkeit beim aktuellen Mobilgerät. Die Details (siehe dazu auch den Blogeintrag zum Thema „Direct Push“) scheint keinen Entscheidungsträger zu interessieren.

Der App-Hype

Keine Frage: Apple hat es, wie in so vielen Dingen der Innovation technischer Gebrauchsgegenstände, auch beim Smartphone geschafft. Die Kunst der Apfel-Entwickler (und vor allem Designer) ist beeindruckend. Technik, Gestaltung und – vor allem „Fun“ – gehen bei deren Produkten Hand in Hand. Nicht zuletzt trägt aber auch das gut gepflegte Firmenimage zum Erfolg bei. Noch heute glauben sich viele Kreative auf einem „alternativen“ Pfad beim Einsatz der Jobs-Produkte.

Den Knock-Out für die Konkurrenz brachte aber erst die massive Verbreitung der Miniapplikationen, der „Apps“. Hier hat es Apple verstanden, einen Zug in Gang zu setzen, auf den eine massive Entwicklergemeinde aufgesprungen ist (und darauf kommt es an!). Heute ist diese App-Welle nahezu ein Selbstläufer. Wie bei der Programmierung von Viren und Trojanern – Entwickler setzen auf Masse und damit auf Umsatz.

Apple, Android und – wer?

Heute hat Googles Android-Market den Erfolg gemeldet: 10 Milliarden heruntergeladener Apps. Apple weist nach Berichten derzeit rund 18 Mrd. Downloads aus. Man könnte nun noch über den qualitativen Unterschied dieser beiden Konkurrenten diskutieren (auch über Sicherheit, Datenschutz, Managebarkeit und vieles mehr). Wie waren aber bei jener Firma aus Kanada, die auszog, um den großen Playern das Fürchten zu lernen.

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Ein trauriges Beispiel in diesem Kontext bot der jüngste Ausfall der Blackberry-Services, weltweit und über mehrere Tage. Nicht genug mit dem gezwungenen Offline-Dasein – RIM bot (und bietet nach wie vor) seinen Kunden als Entschuldigung den kostenlosen Download mancher – sonst kostenpflichtiger – Anwendungen aus dem Blackberry App-Store an. Ein weiterer, schwerer strategischer Fehler. Anwender, vor allem aus dem Business-Umfeld, nehmen zwar gerne etwas kostenlos mit, aber wenn es nichts taugt…
Was nutzt die aktuelle Sim-City-App für lau? Ein paar Euro gespart, die man ohnehin nicht ausgegeben hätte. Aber zynischerweise bringt eben jene „Dankeschön-Aktion“ heute vermehrt Blackberry-Anwender auf deren App-Store – um dort festzustellen: tote Hose! Suchen Sie erst gar nicht eine „App“, die Sie kürzlich in einer Besprechung aufgeschnappt haben. Vielleicht für Android, so gut wie sicher bei Apple. Bei Blackberry? Kein Kommentar.

Live and let die

Über Apples Marktmacht muss nicht weiter geschrieben werden – auch wenn es sich lohnt, diese einmal genauer zu betrachten. Google und die „freie“ Android-Software finden zusehends ihren Weg – im Business Bereich aufgrund der Sicherheitsprobleme aktuell kaum zu vertreten. Und wer kommt dann. Windows Phone mit dem von Microsoft vielfach praktizierten „Erst-mal-Mist und dann ganz stark Aufholen“ (ich erinnere an alle Windows Mobile-Geschädigten), Nokia mit einer Markenvernichtung sondergleichen und – wer war da noch?

Playbook als Rohrkrepierer

Wie auch andere (HP mit seinem Touchpad) hat RIM einem falschen Konzept ein „passend falsches“ Pad hinterhergeschoben. Jedem war klar, dass dieses Teil ein Rohrkrepierer werden wird, oder? Wer kauft ein Tablet, das keinen eigenen Email-Client besitzt, sondern nur mit einem zusätzlichem BB-Phone Mails empfangen kann? Von allen anderen technischen Minderwertigkeiten ganz zu schweigen. Und es bleibt auch hier die letztliche Consumer-Frage: Wo sind die Apps?
Das Unternehmen RIM hat diese Fehlausrichtung Millionen gekostet. Der seit 27 Jahren am Markt operierende Konzern musste kürzlich 480 Millionen Dollar wegen Anpassung auf den (minderwertigen) Lagerbestand an Tablets abschreiben. Es gilt Rückstellungen für den Misserfolg zu bilden. Nur rund 150.000 Geräte wurden an den Handel geliefert. Verkauf ungewiss. Auch die Preissenkung von ursprünglich 500 Dollar auf 199 Dollar Verkaufspreis am letzten „Black Friday“ beweist einiges.

Übernahmegerüchte

RIM Aktie

Die Aktie von RIM ist im Keller, seit Jahresbeginn hat sich der Wert mehr als halbiert und keine Besserung ist in Sicht. Vertrauen sieht anders aus. Den Aktionären bleibt die Hoffnung der Übernahme. Hier gab es in letzter Zeit einige Spekulationen. Erst war Microsoft (nach dem Scheitern an Yahoo) im Gespräch, dann Vodafone. Beides wird nicht funktionieren. Redmond hat bereits zu viel Geld (obwohl, wer weiß) in das Windows Phone (Kooperation mit Nokia und HTC) gesteckt und ein Provider kann die notwendige Dynamik im App-Umfeld nicht stemmen. Hier ist Know-how gefragt – nicht nur Kapital. Letztlich spiegelt der Aktienkurs die Phantasielosigkeit des Managements wider.

Licht am Ende des Tunnels

Die „neuen“ Geräte der Blackberry-Linie (Bold, Torch) sind nicht mehr als eine Aktualisierung auf einen aktuellen Level. Schnellerer Prozessor, bessere Grafik, komfortableres Surfen im Internet – mehr nicht. Da macht auch das neue OS7 keinen entscheidenden Unterschied.
Auf der letzten Entwicklerkonferenz von Blackberry wurde das neue OS BBX als der Weg für RIMs Zukunft vorgestellt. Die Pläne klingen vielversprechend – doch dies ist Theorie. Auch die Spekulationen, dass BBX Android-App-kompatibel programmiert wird, gehört in die ungewisse Welt der Ankündigungen. Die Kompatibilität von Android-Anwendungen mit dem Blackberry-OS und die Beibehaltung der Sicherheit der RIM-Produkte wäre eine optimale Kombination. Sie kommt wohl – wenn überhaupt – zu spät.
Interessantes Detail zum Abschluss: In den Schwellenländern verzeichnet RIM nach wie vor hohe Verkaufszahlen. Aufgrund technischer Beschränkungen in den dortigen Mobilfunknetzen gilt das Blackberry-Phone als sehr zuverlässig. So hält Research in Motion in Indonesien einen Marktanteil von 50 Prozent. Dort sind Apps wohl das geringere Problem.

Und dennoch: Es wäre schade, wenn so ein (ehemaliges) Top-Produkt auf diese Weise vom EDV-Himmel verschwindet.


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Eine Antwort

  1. 15. Januar 2013

    […] dem Versagen von RIM und dessen Blackberry-World stellt sich die Frage nach Alternativen. Die Wahl der neuen Plattform […]

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