Good Bye, Google Reader!

Google versetzt die technikaffine Gefolgschaft in Aufruhr. Der „Google Reader“ wird zum 1. Juli eingestellt. Der RSS-Service des Internetriesen dient vielen als Zentrale für die Lektüre verstreuter Webseiten und deren aktueller Beiträge. Wie sieht die Zeit danach aus?

RSS, Schaltzentrale 2.0 für Informationen

RSS ist ein Urgestein in Sachen Internettechnologie. Aber erst mit der Flut an Informationsangeboten im Web wurde der zentralisierten Sammlung von Blogbeiträgen und Newsmitteilungen eine zentrale Stelle im Alltag vieler Anwender zuteil. Aber auch heute noch ist vielen Internetusern der Zweck dieser Technologie nicht ganz schlüssig.

Google Reader stellt Betrieb ein

 

Googles Ausstieg

Der kostenlose Service von Google, in einem Webinterface alle interessanten RSS-Feeds zentral zu sammeln, steht vor dem aus. Geldmangel spielt wohl kaum eine Rolle. Geld an sich aber schon. Der Datensammler versucht schon des längeren, seine zentralen Plattformen zu pushen (Stichwort: Google+). Und ein Reader-Service sammelt nun mal keine neuen Daten. Was bleibt ist nicht so sehr die Lücke des Angebots – diese wird in kürzester Zeit von alternativen Angeboten geschlossen werden – sondern ein Vertrauensverlust in Google als Dienstleister. Ein deutliches Beispiel zum Thema „Public Cloud“ und individuelle Planbarkeit.

RSS nach Googles Reader

Die Nutzung des Readers über die Weboberfläche war ohnehin kein Vergnügen. Was aber (kurzfristig) fehlt, ist die zentrale Sammelstelle für die persönliche Feed-Sammlung. Jeder RSS-Reader am Markt kann unterschiedliche Feeds abgrasen und die Informationen als Zusammenfassung darstellen. Der Vorteil der zentralen Plattform ist und bleibt aber ein entscheidender. Die Suche ist bereits abgeschlossen und abrufbereit, wenn man Zeit hat diese durchzugehen. Anwendungen von Drittherstellern konnten die Lektüre sogar offline ermöglichen.

 

Noch gibt es keinen Handlungsbedarf. Bis zur Abschaltung seitens Google ist noch genügend Zeit, ein ähnliches (besseres?) System zusammenzustellen. Schließlich ist auch ein zentraler RSS-Dienst nur ein Bestandteil des privaten RSS-Workflows.

Sicherung der Feed-Sammlung – Takeout

Wichtigster Punkt beim Umstieg ist die Sicherung aller bereits in Google Reader gespeicherten Feed-Adressen. Dafür stellt Google mit seiner Takeout-Technologie auch gleich das passende Tool bereit. Die URLs der abonnierten Seiten werden dabei im XML-Format gespeichert. Zusätzliche Daten wie markierte Beiträge, etc. sind wohl weniger wichtig, werden aber auch exportiert (json-Format). Kann die Nachfolgelösung dieses Format importieren, so geht der Umstieg reibungslos. Und diese Schnittstellen wird es sicherlich in Kürze geben.

Nachfolger unter der Lupe

Wie gesagt, noch ist keine Eile. Ganz im Gegenteil. Erst jetzt starten eine Vielzahl von Diensten und Applikationen ihre Anstrengungen, dem RSS-Platzhirsch zu folgen. Und da wird in den kommenden Wochen noch viel passieren. Der Sturm auf Feedly (500.000 neue User in 24 Stunden) ist ein eindeutiges Indiz.

Ein entscheidendes Wort will der Internetdienst Digg hier mitreden. Obwohl vor allem in den USA bekannt, spricht vor allem ein Argument für Digg: Erfahrung mit Nutzerzahlen in Millionenhöhe.

Wissensmanagement – mehr als ein Dienst

Letztlich geht es aber um viel mehr als den Wechsel von Googles Reader zu einem Nachfolger. Artikel aus RSS-Feeds sind nur ein, wenn auch wichtiger, Bestandteil des persönlichen Knowledge-Managements. RSS hat den immensen Vorteil, keine unnötige Zeit im Web zu verbringen. Die Publizierung wichtiger Beiträge kommt zum Interessenten – egal, ob 20 Artikel pro Tag auf dieser Site veröffentlicht werden oder nur ein Blogbeitrag im Quartal. Die schnelle Sichtung ist ein erster Schritt, aber nicht der letzte. Erst die persönliche Ablage und deren Nutzen macht aus Beiträgen ein System. Und dazu gehört noch mehr.

Der Workflow und die Apps

Welche Anwendung zum Lesen von RSS-Newsfeeds genutzt wird, hängt nicht nur von deren „Usability“ ab. Es gibt bereits einige Apps, die den Inhalt der einzelnen Texte meist schöner aufbereitet als dieser im Original ist. Flipboard und Pulse sind ein Beispiel dafür. Der Magazin-Charakter dieser RSS-Reader geht aber am eigentlichen Ziel des Wissenssammlers vorbei: eine rasche und eindeutige Beurteilung über den individuellen Wert des Inhalts. Dazu sind die schmucklosen aber wohlstrukturierten Anwendungen anderer Hersteller besser geeignet.

Ein, wenn nicht überhaupt das Entscheidungskriterium für einen Newsreader ist die Möglichkeit der Weiterverarbeitung des Inhalts. Pocket (ehemals „Read it later“) ist hier eine gelungene „Zwischenstation“. Dort landen alle Beiträge, die interessant sein könnten, für dessen vollständige Lektüre aber aktuell keine Zeit bleibt. Evernote kann als Ziel eines persönlichen Ablagesystems genutzt werden. Oder auch den gesamten Text per E-Mail an einen Kollegen senden. Für welche Anwendung und Ablage Sie sich auch entscheiden – Ihr RSS-Reader muss es unterstützen.

Der plattformübergreifende Workflow

Damit aber nicht genug. Der zukünftige Reader Ihrer Wahl sollte auch auf allen Plattformen, die Sie produktiv nutzen, verfügbar sein. Nur so ist es möglich, im Büro die aktuellen „Neuerscheinungen“ zu prüfen, ohne dieselben Beitragsübersichten Zuhause oder unterwegs nochmals abzuarbeiten. Alle genutzten Geräte und Plattformen müssen synchron arbeiten. Durchsicht am Tablet, Weiterverarbeitung am PC, Quick-Check am Smartphone. Egal, welches Gerät genutzt wird – der Workflow bleibt ungebrochen.

In dieser Hinsicht war Googles Reader eine sehr effiziente Schnittstelle. Unabhängig vom genutzten Programm war ein synchrones Arbeiten gewährleistet. Verschiedenste Apps konnten auf unterschiedlichen Geräten genutzt werden – solange alle nur mit Googles Dienst synchronisierten.

Auferstehung: RSS 2013

Googles Shutdown-Strategie könnte aber auch Vorteile haben. Noch nie hatte RSS eine solche Presse wie aktuell. Vielleicht erkennen nun mehr Internetanwender, welches Potential in dieser Art der Informationssammlung schlummert und springt über die Hürde des abschreckenden Nerd-Kürzels.

Zum zweiten bringt die Einstellung des Dienstes Schwung in die Anbieterschaft an neuen (oder verbesserten) Apps und Plug-Ins. Die kommenden Wochen werden sicherlich eine Vielzahl an Prüfkandidaten an die Weboberfläche spülen.

 


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